08.05.2017

Erweiterung des Bereichs „persönliches Budget" im Haus Nürnberg-Gärtnerstraße abgeschlossen

Im Haus Nürnberg-Gärtnerstraße gibt es seit dem 01. März 2017 fünf weitere Plätze im persönlichen Budget. „Ich bin wieder ein vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft!", berichtet Herr Henninger, einer der Budgetnehmer, in einem Interview über seine ersten Erfahrungen und macht dabei deutlich, dass es für ihn mehr als nur ein Umzug innerhalb des Hauses ist.

Die Renovierungsarbeiten sind abgeschlossen, die Zimmer sind belegt: Im 4. Obergeschoss der Gärtnerstraße hat sich in der letzten Zeit viel bewegt. Das geplante Ziel, auch persönliches Budget (pB) neben dem Wohnen im stationären Bereich anbieten zu können, wurde erfolgreich realisiert. Aktuell herrscht mit acht von neun besetzten Plätzen auch nahezu Vollbelegung.

Das persönliche Budget ermöglicht den Leistungsberechtigten mehr Selbstbestimmung. Sie leben meistens in einer eigenen Wohnung und bekommen von den Kostenträgern Geldleistungen, die sie in die eigene Betreuung investieren müssen. Dafür gibt es im Vorraus eine Budgetkonferenz, aus der sich dann Höhe sowie Umfang der Leistungen ergeben. Das Spektrum der Betreuungsleistungen reicht von beratenden Gesprächen mit pädagogischen Fachkräften bis hin zur Begleitung von Arzt- oder Behördenterminen. Das klassische Sach- und Dienstleistungsprinzip im Sozialbereich wird damit aufgebrochen.

Die Gründe, die der Einrichtungsleiter des Hauses, Jens Masche, für die Erweiterung hin zum pB nennt, sind einleuchtend: „Der Wohnungsmarkt in Nürnberg ist angespannt. Die Mietpreise steigen, was es für Menschen mit wenig Einkommen noch schwerer macht bezahlbaren Wohnraum zu finden. Außerdem ist das persönliche Budget für die meisten ein guter Zwischenschritt. Sie leben im selben Umfeld, werden weiterhin nach ihren Bedürfnissen betreut, sind aber freier und eben nicht mehr im stationären Bereich untergebracht."

Herr Henninger wohnt seit Mitte März als Budgetnehmer im vierten Stockwerk der Gärtnerstraße. Zuvor wurde er etwas mehr als fünf Jahre im stationären Bereich betreut. In einem Interview beantwortete er fünf Fragen rund um seine aktuelle Lage, sprach über Herausforderungen und zog einen Vergleich zu den Jahren zuvor.

Frage 1:
Sechs Wochen sind für Sie im persönlichen Budget (pB) vergangen. Wie war die Anfangszeit?

Herr Henninger:
„Ich habe mich erst einmal an die Treppenstufen, die ich jetzt mehr laufen muss, gewöhnen müssen. Aber Treppensteigen ist gesund – ist gut fürs Herz. Und im Notfall kann ich auch den Aufzug benutzen.

Ich musste mich in der neuen Wohnung schon erst einmal einleben, habe viel geputzt, weil ich es einfach nicht lassen konnte. Man sieht am Anfang einfach jeden Dreck! Man muss sehr selbständig sein, hat mehr Verantwortung. Aber ich kann mir jetzt auch vieles selbst einteilen. Ich kann zum Beispiel waschen, wann ich will und muss vorher nicht auf den Waschplan schauen oder einen Mitarbeiter um den Schlüssel für den Waschraum bitten. Es ist gut so, wie es jetzt ist!“

Frage 2:
Gehen wir noch einen Schritt zurück. Wie kam es dazu, dass Sie das pB nutzen konnten/wollten?

Herr Henninger:
„Ich führte ein Gespräch mit meiner damaligen Bezugsbetreuerin Frau Bierlein und Frau Lutz, unserem Fachdienst. Sie meinten, dass ich gut in das Konzept des persönlichen Budgets passen würde. Ich war zunächst schockiert! Ich konnte mir nicht vorstellen für mich zu kochen, alles selbst zu machen, hatte Angst vor den ganzen Veränderungen. Es war mir auch nicht klar, dass ich dann meine Rente ausgezahlt bekomme. Ich entschied mich aber trotzdem dazu, es zu versuchen, weil ich wusste, dass ich nicht ganz alleine sein werde, sondern weiterhin unterstützt werde. Dann kam ich zunächst auf eine Warteliste und wurde später genommen. Und schließlich freute ich mich auch auf meine eigene Wohnung!“

Frage 3:
Als nächstes würde ich Ihnen gerne eine etwas persönlichere Frage stellen: Mit welchen Herausforderungen oder Schwierigkeiten haben Sie zu kämpfen?

Herr Henninger:
„Es war eher die Zeit vor dem Umzug, die schwierig war. Ich habe mich oft selbst sehr gefordert. Die ganze Planung und Umsetzung des Umzugs war schon anstrengend. Hier oben habe ich jetzt eigentlich nicht mehr Herausforderungen als zuvor. Vielleicht hängt das mit der Freiheit zusammen. Manchmal denke ich mir morgens schon: ‚Ich würde gerne noch ein bisschen liegen bleiben. Eigentlich kann ich mir das doch nun auch erlauben, es ist meine eigene Wohnung.‘ Aber ich weiß auch, dass ich in die Arbeit gehen muss. Ich arbeite bei meiner Schwester, die selbständig ist. Sie zahlt mir für die Arbeit ja auch Geld und kann deshalb von mir Zuverlässigkeit erwarten.“

Frage 4:
Finden Sie, dass das persönliche Budget gut zu Ihnen passt? Haben Sie langfristig das Ziel in eine eigene Wohnung außerhalb der Gärtnerstraße zu ziehen?

Herr Henninger:
„Das pB passt auf jeden Fall gut zu mir! Für mich ist es notwendig auch mal ein Gespräch mit einer Fachkraft führen zu können, sonst würde ich mir einsam und verlassen vorkommen. Ich kann mir im Augenblick nicht vorstellen komplett alleine zu wohnen. Früher als ich ganz alleine war, war mir oft langweilig. Die einzige Möglichkeit, die ich dann sah, war der Konsum von Alkohol oder Drogen. Das ist Gift für mich! Das möchte ich nicht mehr!“

Frage 5:
Zum Schluss bitte ich Sie um ein kleines Fazit: Was hat sich im Vergleich zum Wohnen im stationären Bereich verändert?

Herr Henninger:
„Ich muss Dr. Loew jetzt Geld geben (lacht).
Ich bin jetzt für meine kompletten Finanzen verantwortlich, muss vorher alles durchrechnen und mein Geld über den Monat hinweg gut einteilen. Das ist zu Beginn gar nicht so einfach, wenn man es lange nicht gemacht hat.
Es ist schon vieles anders geworden! Ich fühle mich freier, ich bin wieder ein vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft!“

Autor: Jonny Schmidt


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